„Legt euch hin, bewegt euch nicht und wartet auf Hilfe!“

„Legt euch hin, bewegt euch nicht und wartet auf Hilfe!“

Seyd gegrüßt, Ihr edlen Herren, Weiber und all das Gesinde!- So ging es los und genau so endete auch mein, bzw. endeten meine beiden Ausflüge. Denn endlich kann ich mit auf die Bustour und die Stadtführung nach Schöppenstedt. Aber nicht nur irgendeine Bustour und Stadtführung, sondern geführt vom bekanntesten Schelm aus dem Nördlichen Harzvorlandes: Till Eulenspiegel! Im Ernst, ich freu mich richtig drauf!

Auf geht’s nach Berklingen zum Singenden Wirt. Dort hat sich nämlich eine Reisegruppe eingefunden, bei der ich mit auf Bustour gehen darf. An dieser Stelle: Danke nochmal dafür!!

Ich war etwas spät dran und hatte schon etwas Panik, dass der Bus jetzt ohne mich fährt. Zu meinem Glück musste die Reisegruppe aber noch ihre Eisbecher verspeisen, was dafür sorgte, dass ich, obwohl ich etwas zu spät war, trotzdem noch kurz warten musste. Machte aber nix, denn ungefähr fünf Minuten später hörte ich erst die Glöckchen von Tills Schuhen und eine Sekunde später sah ich ihn dann auch. Ich musste direkt grinsen und fand Till in seiner Aufmachung total klasse! Wir unterhielten uns kurz und dann ging es auch schon mit der Motorkutsche los in Richtung Tills Vergangenheit…

Erster Halt war Schöppenstedt. Auf den Weg dorthin wollte Till allerdings erst einmal wissen, mit wem er es denn hier zu tun hat. Die Heimat der Gruppe war das Weser-Bergland, also gar nicht so weit weg. Till gab den Leuten noch einen Tipp – falls sie auf Einheimische von hier treffen sollten:

„Legt euch hin, bewegt euch nicht und wartet auf Hilfe!“…

In Schöppenstedt angekommen, haben wir am Marktplatz einen kleinen Halt gemacht, um sowohl die vielen Skulpturen, die auf dem Platz stehen, zu bestaunen, als auch ein paar Anekdoten von Till zu hören. Wie zum Beispiel, dass Schöppenstedt die Hochburg seines  Nachlebens ist. Er erzählte uns, dass dort, wo sich heute eine Bank befindet, früher noch ein altes Fachwerkhaus stand, das Rathaus. Leider hatten die Leute damals vergessen Fenster einzubauen und so mussten „sie das Licht in Säcken hereintragen“… In das neue Rathaus wurden übrigens besonders viele Fenster eingebaut. Hilft wohl aber nicht viel, denn „denen da oben ist immer noch kein Licht aufgegangen“. Eigentlich wollten wir auch noch zum Eulenspiegelmuseum fahren, allerdings hatte der riesige Reisebus Schwierigkeiten (durch ein mehr als ungünstig geparktes Auto) die enge Straße hinauf zu kommen. Wir wollten nichts riskieren und fuhren einfach weiter zum nächsten Halt. Weiter ging’s dann also in Kneitlingen, dem Geburtsort von Till. Auf der Fahrt dorthin durfte ich die wunderschöne Landschaft zwischen Elm und Asse bestaunen. Überall fängt jetzt der Raps an  zu blühen und man kann kilometerweit auf gelbe Felder schauen… Das lädt zum Träumen ein Auch erzählte uns Till die Herkunft von alt bekannten Sprüchen, wie zum Beispiel der Spruch mit Kind und Kegel: Früher, wenn der Mann fremdgegangen ist und dabei unehelicher Kinder entstanden, musste der Mann sich nicht nur um seine eigene Ehefrau und Kinder kümmern, sondern auch noch um die Affäre und die daraus entstandenen Kinder. Das war die Strafe! Wenn man dann Sonntag in die Kirche ging, hatten die Leuten allerdings das Recht zu Erfahren oder zu erkennen, wer denn nun die richtige Ehefrau ist. Deshalb musste die echte Ehefrau eine Kopfbedeckung tragen. Aus diesem Grund sagte man dann früher immer „mit Kind und Kegeln“. Die Kegel waren eben die unehelichen Kinder. Übrigens wurde diese Regelung nie offiziell aufgehoben… Übrigens hatte heute nur eine Frau in unserer Reisegruppe eine Kopfbedeckung auf, da weiß man ja was früher so los war!

Nachdem wir einen kurzen Stopp machen mussten, um eine Entenfamilie samt Küken über die Straße zu lassen, erzählte Till wie er früher die Leute in Kneitlingen geärgert und geneckt hat. Einmal hatte er sich auf ein gespanntes Seil gesetzt und sagte zu den Leuten, die dort entlang liefen, dass sie ihm doch seinen linken Schuh geben sollen. Denn dann würde er einen Trick vorführen. Nachdem er von 200 Leuten den jeweils linken Schuh hatte, ließ er sie nach und nach alle wieder runterfallen. Die Leute waren natürlich außer sich vor Wut, denn früher sahen eben alle Schuhe gleich aus.

Nach einem kurzen Halt am Amplebener Herrenhaus ging es weiter durchs wunderschöne Reitlingstal in Richtung Evessen. Hier sind wir am Tumulus, der inzwischen auch komplett aufgeblüht ist, wieder nach Berklingen zum Singenden Wirt gefahren. Für alle die sich denken, dass diese Tour etwas kurz war, den kann ich beruhigen, denn die Reisegruppe mit der ich unterwegs war,  war ein etwas älteres Klientel. Deshalb wurde die Bustour kurzerhand umgeplant und verkürzt, sonst ist sie natürlich länger und man steigt an den Haltestellen auch aus.

Zwei Tage später fand dann die Stadtführung durch Schöppenstedt statt. Ich stand mit Till am verabredeten Treffpunkt, bloß war da keine Reisegruppe und es kam auch keine Reisegruppe. Große Verwirrung. Wo waren die denn alle? Till und ich mussten schon lachen, als er dann endlich einen Anruf bekam, dass die Reisegruppe an einer ganz anderen Stelle warten würde…

Am richtigen Treffpunkt angekommen, begann auch gleich die Stadtführung. Es war eine echt ziemlich große Gruppe. 40 Personen kamen an diesen Tag, aber das war selbstverständlich kein Problem für Till. Wir starteten vor dem Rathaus, laut Till das schönste Gebäude in ganz Schöppenstedt und vergleichbar mit einem  Hundertwasserhaus. Die ersten dreimal, die er das sagte, dachte ich mir „hm okay das ist ja Geschmackssache“, bis ich dann begriff, dass er das gar nicht so ernst meinte.

Till erzählte mir und der Reisegruppe die Geschichten zu den verschiedenen Skulpturen, die es auf dem Marktplatz gab. Zum Beispiel gab es da eine Figur von einer Frau mit einem Knüppel in der Hand. Till erzählte, dass er mal in Bremen einen Bischoff austricksen wollte und dabei hat ihm die nette Marktfrau mit dem Knüppel in der Hand geholfen. Mehr werde ich aber nicht verraten, sonst ist es ja nicht mehr spannend ;-)! Wer die Geschichten und natürlich die dazugehörigen Skulpturen von der Katze im Hasenpelz oder dem Mittelpunkt der Erde (der laut Till übrigens in Schöppenstedt ist) hören will, muss schon selber mit Till auf Tour gehen… Wie gesagt, will ich hier ja nicht alles verraten.

Weiter ging’s zum großen Metallbuch hinter dem Marktplatz. Dort stehen alle von Tills Streichen und Schandtaten drin. Ach ja – davor haben wir übrigens Halt gemacht vor dem ehemaligen Rathaus und der Tafel die davor steht. Auf der Tafel wird übrigens die Geschichte erzählt, in der Till seinen eigenen Haufen isst… Also manche Streiche waren schon ziemlich fragwürdig… Till führte mich und die Gruppe auf die andere Straßenseite. Von dort aus wies er uns auf den Turm der Kirche hin. Denn der ist, und das ganz offiziell, schiefer als der Turm von Pisa! Und aus der richtigen Perspektive sieht man das auch ganz deutlich. Nebenbei erzählte uns Till noch allerhand komisches Zeug von früher aus seiner Zeit. Er erzählte, dass es früher in Schöppenstedt nur ein einziges Badehaus gab, was allerdings für die damalige Zeit ganz normal war. Jedenfalls durften die Leute dort einmal die Woche baden. als erstes baden durfte der Ranghöchste, also der Bürgermeister und als letztes durften dann eben Bauern, der Müller und das andere bürgerliche Volk. Also so wirklich sauber wurde man beim Baden auf jeden Fall nicht. Oh und für alle, die sich fragen, woher das Wort -Klabusterbeere eigentlich kommt, hier Till’s Erklärung:

Früher hatten die Leute noch kein, oder zumindest keiner besonders gutes Klopapier. Im Übrigen hatten die Leute früher ja auch ganz andere Probleme, als gutes Klopapier. Naja auf jeden Fall haben sich durch die mangelnde Hygiene, das fehlende Klopapier und Reibung, kleine Kügelchen aus Kot am Po der betroffenen Person gebildet… Und das dürfte damals so gut wie bei jedem gewesen sein! Bei meinem Rundgang im Wolfenbütteler Schloss hab ich ja schon mitbekommen, dass selbst dort die Körperpflege nur aus trockenem Abrubbeln mithilfe eines Lappens bestand…

Von da aus ging es weiter zum Till Eulenspiegel-Museum, was auch schon der Endpunkt unserer Führung war. Davor machten wir allerdings noch ein paar Zwischenstopps, wie zum Beispiel an der Schöppenstedter Kirche. Hier erzählte Till uns, wie er einmal dort oben saß und die Leute von ihm wollten, dass er dort runterfliegt. Till sagte zu den Leuten dann nur „Ihr glaubt auch wirklich jeden Scheiß!“ und flog natürlich nicht vom Kirchenturm. Denn auch ein Till Eulenspiegel kann nicht fliegen! Im Haus gegenüber der Kirche soll es übrigens einen Geheimgang in die Kirche hineingeben. Allerdings hat man den bisher noch nicht weiter erforscht… Aber klingt auf jeden Fall spannend!

Am Eulenspiegelmuseum verabschiedete Till die Reisegruppe und ging mit mir zusammen wieder runter zum Marktplatz. Auf dem Weg nach unten wurde er von mehreren Leuten angesprochen und sagte dann zu mir, dass die Leute in Schöppenstedt ihren Till kennen und lieben. Also wer mal durch Schöppenstedt läuft und dabei Till sieht, kann ruhig mal einen Spruch rüber rufen und zu 100% wird Till kontern! Übrigens hat für Kinder, die den Schelm erkennen, immer eine kleine Überraschung in seiner Tasche.

Fazit: Lass euch von Till in eine andere Zeit mitnehmen und von seinen Geschichten und Streichen begeistern. Sowohl Bustour als auch die Stadtführung lohnen sich auf jeden Fall! Vor allem für diejenigen wie mich, die zwar den Namen Till Eulenspiegel kannten, aber nie so genau wussten was der Gute in unserem Nördlichen Harzvorland alles getrieben hat! Übrigens gibt es für alle Aktiven unter uns auch einen Eulenspiegel Fahrrad und Wanderweg, der mit oder ohne Till erkundet werden kann.

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