Hornburg: Heimatmuseum und Biedermeierhaus – Zeitreise bis ins Mittelalter

Heimatmuseum Hornburg: In der Schusterstube des 19. Jahrhunderts hielt sich die ganze Familie auf / Beate Ziehres

Fachwerkhäuser links, Fachwerkhäuser rechts, dazwischen windet sich eine schmale Kopfsteinpflastergasse. Keine Frage: Ich bin in Hornburg! Streng folge ich Karin Körners Anweisungen, um das Heimatmuseum in diesem Gewimmel von Häusern zu finden. Und dann stehe ich tatsächlich vor dem ehemaligen Gutshaus, das auch schon als Schule fungiert hat. Hier ist ein Teil der Schätze, die sich im Laufe der mehr als 1000-jährigen Geschichte der Stadt angesammelt haben, aufbewahrt. Auch das Andenken an den berühmtesten Sohn der Stadt, Papst Clemens II, wird im Heimatmuseum hochgehalten.

Karin Körner, Vorsitzende des Förderkreises Heimatmuseum Hornburg, hat extra geheizt, weil ich mich angekündigt habe. Doch die kalten Räume sind eine Momentaufnahme, denn das Museum hat Winterpause. Wenn der Förderkreis am 17. März in die neue Saison startet, ist die kalte Jahreszeit schon fast Geschichte und die Räume werden sich schnell füllen: mit wissbegierigen Menschen, mit Kunsthandwerkern, Künstlern und Geschichtsinteressierten.

Schon für die Auftaktveranstaltungen rechnet Karin Körner mit einem vollen Haus. Geplant sind eine Vernissage zur Ausstellung „Eine Reise durch die schönen Künste“ und ein Diavortrag des Hornburgers Henning Meyer zum Thema „Entstehung der Mühlen-Ilse“. „Die Vorträge sind immer schnell ausverkauft“, weiß sie.

Altes Handwerk im Heimatmuseum Hornburg

Doch auch an vortragsfreien Tagen herrscht Leben im Haus, beispielsweise in der Werkstatt des Drechslermeisters Karl Meyer. Die Werkstatt ist 1984 ins Museum gezogen. Hier sind alle Werkzeuge und Maschinen, wie sie um 1924 in Betrieb waren, ausgestellt und auch einsatzbereit. Bei meinem Besuch im Museum liegen noch Holzspäne auf der Werkbank und dem Boden. Es sieht aus, als wäre Meister Meyer gerade mal zum Mittagessen nach Hause gegangen. In Wirklichkeit hat hier jedoch nicht der Werkstattbesitzer selbst gearbeitet, denn er ist lange tot. Es waren quicklebendige Drechsler, die hier gewerkelt haben.

Neben der Drechslerwerkstatt ist im Heimatmuseum die Druckerei der „Hornburger Zeitung“ aus dem Jahr 1901 erhalten geblieben. Setzkästen mit den Originalschriften und eine Andruckpresse vermitteln einen eindrucksvollen Einblick in die Buchdruckerkunst. Das Handwerkszeug des Bäckermeisters Gerhard Matthias hat den Weg ins Museum ebenso gefunden wie die Werkstatt des Sattlermeisters Hans Nothdurft. „Alle Handwerker waren alteingesessene Hornburger und alle haben noch selbst dafür gesorgt, dass ihre Werkstätten hier wieder aufgebaut wurden“, betont Karin Körner.

An Aktionstagen erwachen die alten Werkstätten zum Leben. Der Kunsthandwerker- und Bauernmarkt ist so ein Tag, der wahre Besucherscharen in die mittelalterliche Stadt und ins Heimatmuseum zieht. In diesem Jahr findet er am 29. September statt.

Heimatmuseum Hornburg: wertvolles Buch als Publikumsmagnet

Das Museum beheimatet weitere Exponate, die das Potenzial haben, Menschenmassen anzuziehen. Eines davon ist ein Faksimile des Evangeliars Heinrichs des Löwen. Die Originalhandschrift, die 1983 in London für 32,5 Millionen D-Mark ersteigert wurde, wird in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt und nur selten ausgestellt. In Hornburg können Interessierte einen Blick auf die bunten Seiten werfen, die irgendwann zwischen 1173 und 1188 – über das genaue Jahr streiten die Wissenschaftler noch – entstanden sind. Die Reproduktion, die in einer Auflage von 1.000 Stück hergestellt wurde, steht dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Karin Körner zieht Handschuhe an, um das wertvolle Buch aus der Vitrine zu holen. Dann blättert sie das Evangeliar auf, damit wir beiden – meine Kamera und ich – einen Blick auf die kunstvoll gestalteten Seiten werfen können. Schön!

Faksimile des Evangeliars Heinrich des Löwen im Heimatmuseum Hornburg / Beate Ziehres
Faksimile des Evangeliars Heinrich des Löwen / Beate Ziehres

Andenken an den berühmtesten Sohn der Stadt im Heimatmuseum Hornburg

Geboren im Jahr 1005 in Hornburg, gestorben am 9. Oktober 1047 in Montelabbate in Italien – die Geburts- und Sterbedaten von Suidger, Graf von Morsleben und Hornburg, wären bedeutungslos. Wäre der Adelige nicht am Heiligen Abend des Jahres 1046 in Rom zum Papst gewählt worden. Er trug den Namen Papst Clemens II und amtierte bis zu seinem Tod, der durch Vergiften eintrat. Der erste deutsche Reformpapst war unbequem, weshalb seine Widersacher den Hornburger wohl ermordet haben. Nachweislich ist Clemens II der einzige Papst, der nördlich der Alpen bestattet ist, und zwar auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin im Bamberger Dom.

Im Papst-Clemens-Gedächtnisraum erinnern Gegenstände und Bilder an Hornburgs berühmtesten Sohn. Prachtstück der Ausstellung ist eine Tafel, auf der die Namen aller Päpste bis in die Gegenwart aufgelistet sind.

Heimatmuseum Hornburg: Auf dieser Tafel im Papst-Clemens-Gedächtnisraum sind alle Päpste benannt / Beate Ziehres
Auf dieser Tafel im Papst-Clemens-Gedächtnisraum sind alle Päpste benannt / Beate Ziehres

Lieblingsstücke im Blauen Salon des Heimatmuseums Hornburg

Nun steigt Karin Körner mit mir ins Obergeschoss. Zuerst gehen wir in den Blauen Salon. In den Vitrinen entdecke ich Zwiebelmuster-Kaffeegeschirr, wie es meine Oma hatte. Karin Körners Lieblingsexponat in diesem Raum ist eine Barttasse für den Herrn, der Wert auf einen gepflegten Schnurbart legt. Und das Lieblingsexponat von Lisbeth Widera aus Hornburg ist das Klavier, das in der Ecke des Blauen Salons steht. Hin und wieder kommt die 99-Jährige mit ihrem Auto angebraust, um auf dem Klavier zu spielen. Den Hinweis von Karin Körner, das Klavier sei verstimmt, ignoriert sie regelmäßig. „Sie spielt dann einfach Swing, da muss es nicht so genau stimmen“, schmunzelt Karin Körner.

Das Lieblingsausstellungsstück der übrigen Museumsbesucher sei übrigens das Puppenhaus, berichtet Karin Körner. Das filigrane und detailreiche Meisterwerk von Elfriede Oberrath aus Hornburg gewährt tiefe Einblicke in das Leben von früher. Hier könnte ich unendlich viel Zeit verbringen, um auch noch die letzten Einzelheiten zu entdecken. Doch unser Rundgang ist noch nicht zu Ende.

In der Fachwerkabteilung lerne ich die Besonderheiten des Hornburger Fachwerkes kennen, in der Schusterstube darf ich einen Blick hinter die Fachwerkfassade werfen.

Heimatmuseum Hornburg: In der Schusterstube des 19. Jahrhunderts hielt sich die ganze Familie auf / Beate Ziehres
In der Schusterstube des 19. Jahrhunderts hielt sich die ganze Familie auf / Beate Ziehres

Der Informationsraum „Grenze zur DDR“ verleitet zum Erzählen. Karin Körner erinnert sich, dass man früher einen Sonntagsspaziergang zur Grenze machte und anschließend zum Kaffeetrinken im Hasenwinkelgrund ins Café Willeckes Lust einkehrte.

Durch das hintere Treppenhaus wollen wir nach unten gehen, doch halt! Mir verschlägt es den Atem. Im großzügigen Treppenhaus des ehemaligen Gutshauses hat Dietfrid Berndt ein Wandgemälde geschaffen, das den Eindruck einer Zeitreise vermittelt. Ich stehe im Jahr 1920 in der Hornburger Wasserstraße – die perfekte dreidimensionale Illusion!

Wandgemälde im Treppenhaus des Heimatmuseums Hornburg: Blick in die Wasserstraße / Beate Ziehres
Wandgemälde im Treppenhaus des Heimatmuseums Hornburg: Blick in die Wasserstraße / Beate Ziehres

Wir haben jetzt noch einen Abstecher vor – ins Biedermeierhaus, das ebenfalls zum Heimatmuseum Hornburg gehört. Auf dem Weg dorthin zeigt mir Karin Körner noch die Stelle, an der der Überlieferung zufolge das Geburtshaus von Papst Clemens stand. Jetzt wohnen hier Familien.

Leben um 1900 – im Biedermeierhaus des Museums Hornburg

Biedermeier, das klang in meinen Ohren bisher so romantisch. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein Bild von Spitzweg – Menschen in Rüschenkleidern und Spitzenhäubchen beim Sonntagsspaziergang. Doch als wir am Fuß der Burgmauer ankommen, stelle ich schnell fest, dass die Lebensumstände im 19. Jahrhundert jeglicher Romantik entbehrten: kein elektrisches Licht, keine Steckdosen, keine Wasserhähne, kein Bad. Stattdessen klemmt zwischen der Außenwand des Häuschens und der zehn Meter hohen Burgmauer eine Trockentoilette. Immerhin: Die Bewohner mussten das Haus nicht verlassen, wenn sie das Örtchen benutzen wollten.

Doch das war wohl der einzige Luxus dieser Zeit. Wer in diesem Häuschen gewohnt hat, muss sehr genügsam gewesen sein. Darüber können auch die langen Würste in der Wurstkammer nicht hinwegtäuschen. Wie heißt es doch in der Beschreibung so schön: Es handelt sich um eine Kleinbürgerwohnung.

Die Einrichtung des kleinen Hauses, das zwischen 1820 und 1840 erbaut wurde, stammt aus den Jahren um 1900 und umfasst jedes erdenkliche Detail. Die Sonne, die durch die kleinen Fenster scheint, wirft ein nostalgisches Licht auf Nähmaschine, Stickrahmen, Nachthemden und die obligatorischen Schutzengelbilder dieser Zeit über den Betten.

Als ich später einen Ausweg aus dem mittelalterlichen Städtchen suche, sehe ich die Fachwerkhäuser mit anderen Augen. Denn ich durfte hinter die Kulissen schauen. Ich habe gesehen, wie die Menschen hinter den Fassaden von Hornburg früher gelebt und gearbeitet haben. Und meine Hochachtung für die Leute, die viel Zeit, Liebe und finanzielle Mittel aufwenden, um das Alte zu bewahren, steigt.

Heimatmuseum Hornburg: Anschrift und Öffnungszeiten

Öffnungszeiten Museum:

  • Dienstag bis Samstag: 14 bis 16 Uhr
  • Sonntag und Feiertage: 14 bis 17 Uhr

Öffnungszeiten Biedermeierhaus:

  • Sonntag 14 bis 17 Uhr von April bis Oktober

Die ersten Veranstaltungen des Jahres:

  • 17. März 2019, 15 Uhr: Vernissage zur Ausstellung „Eine Reise durch die schönen Künste“
  • 24. März 2019, 15 Uhr: Diavortrag „Entstehung der Mühlen-Ilse“ von Henning Meyer

Heimatmuseum Hornburg, Montelabbateplatz 1, 38315 Hornburg

Webseite des Museums