Eigentlich kann ich Hühnern ja nichts abgewinnen. Eigentlich. Aber als mich diese Schar Junghennen freundlich und zufrieden plappernd begrüßt, bin ich doch angetan. Mit Anja und Ernst Glindemann bin ich rausgefahren aus Volzum. Hier auf einer riesigen Wiese im Nördlichen Harzvorland stehen die Hühnermobile der Familie Glindemann. Vier Stück sind es inzwischen geworden.
Das Geschäft mit den Eiern von Freilandhühnern brummt seit März ganz besonders. „Es gibt jetzt eine dritte Hochsaison für Eier neben Ostern und Weihnachten: Corona“, schmunzelt Anja Glindemann. „Wir merken deutlich, dass die Leute mehr zu Hause essen. Wir sind ganz oft ausverkauft.“ Sprich, die Hühner kommen mit dem Legen nicht mehr nach. Mit 1500 Hennen sind die Glindemanns in die Corona-Krise gestartet. Jetzt scharren 2000 auf den Wiesen.
Doch diese Erweiterung war schon lange geplant. Schließlich haben die Luxus-Wohnmobile, in denen die Glindemannschen Hennen leben, mindestens ein halbes Jahr Lieferzeit.
Vollmobile Legehennenhaltung entdeckt
Begonnen hat die alteingesessene Volzumer Landwirtsfamilie ganz klein. „Als die Kinder groß waren, habe ich überlegt, was ich mal machen könnte“, erzählt Anja Glindemann. Die Landwirtschaft beschränkte sich seit den 1930er-Jahren auf Ackerbau. Für den Eigenbedarf hat die Familie jedoch immer ein paar Hühner gehalten.
So beschäftigte sich die Frau mit der professionellen Hühnerhaltung und entdeckte dabei die mobile Legehennenhaltung. Viele Lehrgänge später legten die Glindemanns schließlich los: mit zwei Wohnwagen für jeweils 250 Hennen. „Wir waren der zweite Betrieb im Landkreis Wolfenbüttel mit vollmobiler Legehennenhaltung“, berichtet Ernst Glindemann stolz.
Ich frage, was „vollmobile Legehennenhaltung“ bedeutet. Ob es auch eine teilmobile Variante gibt? „In unseren Ställen wohnen die Hühner auf zwei Etagen. Unten ist ein Kaltscharrraum, oben gibt es Futter und Wasser und dort schlafen die Hennen auch.
Der Boden ist geschlossen und der Stall hat ein Fahrwerk. So ist der Wagen innerhalb von zehn Minuten fahrbereit. Nicht vollmobile Wagen sind weniger flexibel“, erklärt Ernst Glindemann. Ich erfahre außerdem, dass bei der Entwicklung der Ställe oberste Prämisse war, dass sich die Hühner wohlfühlen.
Das Wohl der Hühner zieht sich wie ein roter Faden durch meinen Besuch in Volzum. Auch bei der Komposition des Futters liegt das Augenmerk auf der Gesundheit der Hennen. Die Glindemanns waren sich von Anfang an einig, dass die eigenen Erzeugnisse verfüttert werden sollen. „Das Futter beeinflusst sehr stark den Geschmack der Eier. Selbstgemischtes Futter ist zwar aufwändiger, aber der Geschmack lohnt jede Mühe“, ist sich Ernst Glindemann sicher.
Eigene Futtermischung
So hat das Paar etwa zwei Jahre lang experimentiert, um zur jetzigen Futtermischung zu kommen. Sie enthält als Hauptbestandteile Weizen und Gerste aus eigenem Anbau sowie Mais. Dazu kommen Mineralstoffe und als Eiweißträger Sonnenblume und Sojaschrot.
Soweit sicherlich keine außergewöhnlichen Zutaten, doch nun wird es spannend: Wir nähern uns dem Geheimnis vorzüglichen Ei-Geschmacks. „Unser Futter enthält auch Oregano und Knoblauch. Beides dient der Gesundheit der Hühner und dem guten Geschmack“, berichtet Anja Glindemann.
Am Schluss rundet ein Schuss Sonnenblumenöl das Futter ab, das in der mobilen Misch- und Schrotanlage eines Freundes der Familie hergestellt wird. Da die Hühner lieber etwas gröbere Anteile picken, werden Getreide und Mais gequetscht, nicht geschrotet.
„Wir sind mit dieser Mischung jetzt sehr zufrieden. Trotzdem muss man laufend alles überprüfen. Hühner sind sehr empfindliche Lebewesen. Da kann auch ein kleiner Anlass weitereichende Auswirkungen haben“, sagt Anja Glindemann.
Nun lerne ich also diese empfindlichen Lebewesen persönlich kennen und kann direkt ein Statement von Ernst Glindemann überprüfen: „Wenn ich die Hühner beobachte, komme ich total runter. Das ist mein Wellness“, hat er gesagt.
Und ja, so empfinde ich es auch. Wie sie picken und zufrieden vor sich hin gackern, ist sehr entspannend. Die Zeit bleibt steht, wenn man auf dem Hühnerhof ist. Die Hähne plustern sich auf und streiten ein bisschen um die Aufmerksamkeit der Damen. Die Junghennen erkunden neugierig das Terrain, immer munter pickend. Nichts ist wichtiger in diesem Moment. „Wussten Sie, dass ein Huhn zwischen 11.000 und 15.000 mal am Tag pickt?“, fragt mich Anja Glindemann. Nein, natürlich nicht!
365 Arbeitstage im Jahr
Aber, Wellness hin oder her: So eine Hühnerschar macht Arbeit, und zwar 365 Tage im Jahr. Neben der Familie helfen den Glindemanns drei Mitarbeiter auf Minijob-Basis. Zweimal täglich geht es raus zum Eiersammeln und zur Stallkontrolle, auch bei Sturm und Regen.
Pro Stall wird dafür etwa eine halbe Stunde benötigt. Die Hühner legen die Eier in sechs Familiennester pro Wagen, die Nester sind mit Dinkelspelz gefüllt. „Die Hennen sitzen gerne dicht an dicht zum Eierlegen“, weiß Anja Glindemann.
Mit der Hand fährt sie durch den Spelz, um nach den Eiern zu suchen. Das wäre sie wohl, die typische Handbewegung eines mobilen Legehennenhalters. „So hat man jeden Tag Ostern“, lacht Anja Glindemann.
Ihr Mann Ernst räumt derweil mit einem Vorurteil auf: „Wenn jedes Huhn jeden Tag ein Ei legte, würde uns das richtig nach vorne bringen. Im wahren Leben legen sie nicht jeden Tag und manchmal auch kleinere Eier. Wir müssen verarbeiten, was das Huhn bietet.“
Wenn im Sommer das Gras trocken ist, werden die Eier ebenfalls kleiner. „Die Hühner mögen den Winter lieber als den Sommer. Ihre Wohlfühltemperatur liegt bei 15 bis 17 Grad“, sagt Anja Glindemann. Deshalb stellt sie den Hühnern auch Schattenspender in den Auslauf.
Ich wusste auch nicht, dass sich die Hühner an langen, dunklen Wintertagen leicht langweilen. Deshalb beschäftigen die Glindemanns die Hühner an Winternachmittagen. Im Sommer sind die Hennen hingegen von morgens um 10 bis abends draußen im Freien.
Trotzdem erfahren insbesondere die Junghennen intensive persönliche Betreuung. „Am Anfang gehen wir öfter in den Stall, damit sie sich an uns gewöhnen“, erzählt Anja Glindemann.
Vermarktung im Hofladen
Auch das Produkt, um das es letztlich geht – die Eier – erfordert einiges an Aufmerksamkeit. Sie werden von Hand auf eine Sortiermaschine gelegt, auf Bruchstellen durchleuchtet und gewogen. Das Stempeln und Abpacken erfolgt ebenfalls von Hand.
Als Direktvermarkter nutzen die Glindemanns verschiedene Vertriebswege. Der eigene Hofladen ist einer davon. Bevor ich Volzum verlasse, kaufe ich hier noch ein. Ein Automat bedient mich mit Eiern, Milch und Nudeln. Ich könnte noch mehr haben: fertige Nudelsoßen beispielsweise, Wurst, Marmeladen, Honig, Äpfel und Kartoffeln – alles von Erzeugern aus dem Nördlichen Harzvorland.
Am Abend beglücke ich meine Familie mit den Nudeln. Sie sind der absolute Hammer, die besten Nudeln, die ich jemals gegessen habe! Überflüssig zu erwähnen, dass darin die Glindemann’schen Eier verarbeitet sind. Die restlichen Nudeln habe ich pur ohne Soße weggenascht.
Apropos kochen: Anja Glindemann hat mir einige Rezepte überlassen, die hier folgen.
Omelette mit Glindemanns Landei
2-3 Eier
Salz, Pfeffer
etwas Milch
Alle Zutaten gut verschlagen. In einer Pfanne etwas Butter schmelzen, das verschlagene Ei dazugeben, mit frischen Kräutern aus dem Garten bestreuen und alles bei mittlerer Hitze stocken lassen. Dazu schmeckt frisches Brot.
Glindemanns Landei mit Senfsoße
Pro Person 2 bis 4 Eier bis auf den gewünschten Gargrad kochen.
Für die Senfsoße:
¼ l Wasser oder Brühe
¼ l Weißwein
2 Eigelb
2 EL Speisestärke
Salz
1 Prise Zucker
1-2 EL Senf
50 g Butter
Alle Zutaten im Kochtopf verrühren und so lange schlagen, bis die Soße dicklich wird. Mit den Gewürzen abschmecken.
Die Eier noch warm pellen oder halbieren und auslöffeln, mit Senfsoße, Hachumer Salzkartoffeln und grünem Salat genießen.
Spargelrührei mit Glindemanns Landei
3 Eier
250 g Bruchspargel
1 Paket gewürfelten Schinken
Eier verquirlen und mit Salz und Pfeffer würzen, den Spargel schälen und in Stücke schneiden. Etwas Butter in einer Pfanne erhitzen, den Spargel darin gut andünsten, den gewürfelten Schinken dazugeben. Zum Schluss das verquirlte Ei darüber gießen und bei mittlerer Hitze stocken lassen. Dazu schmecken Hachumer Salzkartoffeln.
Eierlikör mit Glindemanns Landei
5 Eier
350 ml Milch vom Milchhof Gehrke
100 g Zucker
1 Vanillestange, halbieren und das Mark auskratzen
400-500 ml Likör 43, je nach Geschmack
Alle Zutaten außer dem Likör miteinander verrühren und bei geringer Hitze schlagen, bis die Zutaten sich gut verbunden haben. Nicht über 70°C, da sonst das Ei gerinnt.
Den Likör 43 dazugeben und alles noch mal kurz unter Wärmeinwirkung gut verschlagen. Schmeckt super lecker pur oder zu Eis.