Es ist ein ganz normaler Mittwochmittag, als ich nach Döhren im Nördlichen Harzvorland fahre, um Erika Miethe und ihr Eiscafé kennenzulernen. Die Frau hat gerade das Frühstücksbuffet abgeräumt. Da jetzt die Sonne rauskommt, verteilen Erika Miethe und ihr Lebensgefährte Friedrich Söchtig Kissen auf den Stühlen im Hof.
„Ein Café war mein Jugendtraum“, sagt die gelernte Erzieherin. Noch vor einigen Jahren hat sie ihre Brötchen als Betreuungskraft in der Grundschule Döhren verdient. Bis die Schule geschlossen wurde.
„Ich dachte mir, vielleicht ist das ein Zeichen und ich sollte etwas Neues anfangen“, erzählt mir Erika Miethe. Friedrich Söchtig war nicht abgeneigt. Ihm gehört der Bauernhof in der Durnidistraße, den das Paar bewohnt.
Vom Bauernhof zum Eiscafé
Friedrich Söchtig betreibt die Landwirtschaft in der dritten Generation. Von der Tierzucht hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedet. Die Ställe standen leer. Hinzu kommt: Der Landwirt hat eine Schwäche für guten Kaffee. Deshalb bedient er heute die Profi-Kaffeemaschine mit Leidenschaft selbst.
Vor dem Start in eine neue berufliche Zukunft holten die Beiden fachkundigen Rat ein. Welche Perspektiven hat ein Hofcafé in Zeiten, in denen zu jedem Bäckerladen ein Café gehört? Erika Miethe und Friedrich Söchtig entschieden schließlich, dass es ein Eiscafé werden sollte. Und: Sie wollten nicht irgendein Eis verkaufen, sondern hausgemachtes Bauernhof-Eis.
Und so kommt es, dass ich heute in Döhren vorzügliches Eis probieren kann. Das „Bauernhofeis vom alten Gustav“ wird nach bewährten Rezepten aus frischen Zutaten in einem Dorf bei Bockenem hausgemacht. Das Eis besteht aus frischer Milch, Sahne und Gartenfrüchten. Künstliche Bindemittel und Konservierungsstoffe sind für Julia Barnstorf, die Eisproduzentin, tabu.
Platz für 24 Sorten in der Eistheke
Erika Miethe hat generell 24 bis 30 Geschmacksrichtungen vorrätig. Heute lachen mich in der Eistheke beispielsweise Köstlichkeiten wie Mandel mit Amarettini, Karamell-Banane mit Nougatstückchen, Walnusseis mit Ahornsirup, Welfeneis mit Pfirsisch-Zitrone und Johannisbeer-Sorbet rot und schwarz.
Doch damit nicht genug. Da Produkte mit Ziegenmilch für manche Menschen besser verträglich sich, hat Erika Miethe auch eine Auswahl von Ziegenmilcheis im Angebot. Das Ziegenmilcheis kommt von der Schäferei Ehlers in Liebenburg / Klein Mahner. Die hofeigenen Milchziegen weiden den ganzen Tag auf den Kräuterwiesen der Region.
Bei meinem Besuch stehen die Sorten Erdnuss-Mandel, Kokos-Mandel, Marzipan und Erdbeeren mit echten Früchten in der Eistheke. „Das Ziegenmilcheis geht wirklich super“, berichtet Erika Miethe. Klar, dass ich da probieren muss. Aber erst, bevor ich mich auf den Nachhauseweg mache!
Wuff! Vierbeiner lieben das Hundeeis
Diemo Ehlers weiß übrigens auch, was Hundeherzen höher schlagen lässt. Er produziert deshalb Hundeeis aus Ziegenmilch. Es ist in den Sorten Möhrchen und Leber, Erdbeer und rote Beete in kleinen hundgerechten Becherchen erhältlich.
Bei Erika Miethe finden die kleinen Portionen reißenden Absatz. Heute hat sie nur noch ein Becherchen Erdbeereis im Gefrierschrank. Und ich erlebe noch, dass auch diese Portion einen Liebhaber findet.
Start mit Hindernissen
Dabei war der Start für Erika Miethe in die Selbstständigkeit als Gastronomin etwas holprig. Denn so, wie sich das Hofcafé heute präsentiert, war es eigentlich gar nicht geplant.
Zu Pfingsten 2014 hatte Erika Miethe alle erforderlichen Genehmigungen, einen Eislieferanten, einen Waffellieferanten und vor allem Baupläne. Küche und Toiletten sollten im Haus in der ehemaligen Speisekammer und im ehemaligen Pferdestall untergebracht werden. Vor dem Haus sollte ein Kaffeegarten entstehen.
Dumm nur, dass nichts geschah. Die Handwerker hatten zu viel Arbeit. Als für Pfingsten herrliches Wetter angekündigt wurde, griff Erika Miethe zum Telefon. Das Gesundheitsamt genehmigte kurzfristig den Eisverkauf auf dem Hof.
Blitzeröffnung zu Pfingsten
Die frischgebackene Wirtin organisierte samstags einen mobilen Eiswagen, Eis, Waffeln und stellte Festzeltgarnituren unter dem Schauer der Scheune auf. „Sie werden es nicht glauben: An Pfingstsonntag und Pfingstmontag war der Hof voll!“, ist Erika Miethe noch heute erstaunt.
Nach Pfingsten kam das Paar zu dem Ergebnis: Es geht auch ohne aufwändigen Hausumbau. Friedrich Söchtig verwandelte mit handwerklichem Geschick zuerst den verwaisten Kuhstall in eine Küche. Später entstand unter dem Schauer ein festes, komplett verglastes Gebäude mit Sitzplätzen für etwa 40 Personen.
„Im Winter heizen wir mit dem Specksteinofen. Es wird tatsächlich warm genug“, freut sich Erika Miethe. Denn in Döhren gibt es nicht nur im Sommer Eis, sondern auch im Winter. Lediglich die Öffnungszeiten sind etwas eingeschränkt. Und das Angebot unterscheidet sich: „Im Winter verkaufen wir weniger Sorbet, dafür eher Sorten mit Zimt oder Pflaume.“ Sogar Weihnachtsfeiern richten Erika Miethe und Friedrich Söchtig im Eiscafé aus.
In der warmen Jahreszeit sind aber nach wie vor die etwa 100 Plätze im Hof am beliebtesten, zumal es immer sonnige und schattige Tische gibt. Der Hofhund, ein Golden Retriever, begrüßt jeden Gast einzeln und schließt schnell Freundschaft mit den Hunden der Gäste. Kurzum: Alles ist total entspannt in Erikas Eiscafé.
Ach ja, im fünften Jahr nach der Eröffnung hat Erika Miethe das Angebot längst ausgeweitet. Morgens bietet sie ein Frühstück mit Zutaten aus der Region an, aber auch Brötchen und Brot zum Mitnehmen. Und nachmittags natürlich selbstgebackenen Kuchen.
„Käsekuchen mit Baiser oder Mandarinen geht immer. Rote-Grütze-Torte mache ich ebenfalls mindestens einmal pro Woche“, sagt Erika Miethe. Sie backt aus Bio-Zutaten und mit Mehl aus der Region. Man hört und sieht, dass es ihr richtig Freude macht, für die Gäste zu backen und sie zu bewirten.
Und die kommen inzwischen nicht mehr nur aus Döhren und den umliegenden Orten oder zufällig mit dem Fahrrad oder Motorrad vorbei. Allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda hat Erika Miethe Gäste aus Wolfsburg, Braunschweig und dem Harz gewonnen.