In diesen Tagen sprießt überall das frische Grün, die Bäume blühen und die Insekten summen wieder. Auch die Vögel freuen sich lauthals über Sonne und Frühlingstemperaturen. Mich hält nichts mehr in der Stube, ich will raus, mich bewegen und am liebsten gleich eine Erkundungstour durchs Nördliche Harzvorland unternehmen.
Der Freizeitstempel-Pass bietet mir in dieser Situation schöne Anregungen. Ich blättere durch die Seiten und bleibe in Vienenburg hängen. Ok, ertappt: Ich habe hinten angefangen :-).
Stempelstation 31 soll auf der Vienenburg stehen. Da ich bisher nicht einmal wusste, dass es eine Burg Vienenburg gibt, verspricht dies, eine entdeckungsreiche Wanderung zu werden. Eine ganz gemütliche noch dazu. Die Streckenlänge ist mit zwei Kilometern beschrieben.
Vienenburg: ein Bahnhof mit zwei Gesichtern
In Vienenburg angekommen parke ich – wie vorgeschlagen – am Bahnhof. Dass der Bahnhof Vienenburg kein Bahnhof ist wie jeder andere, fällt mir sofort auf. Ein Blick ins Stempelheft gibt mir Gewissheit: Ich stehe am ältesten erhaltenen Bahnhof Deutschlands.
Dieser Bahnhof hat gewissermaßen zwei Gesichter. Auf der geschäftigen Seite halten im Minutentakt moderne Züge an, Passagiere steigen ein und aus. Sie fahren über Wernigerode und Halberstadt nach Magdeburg, nach Bad Harzburg, Goslar, Braunschweig und sogar nach Halle (Saale).
Auf der ruhigeren Seite zum Bahnhofsvorplatz ist der Eingang zu einem kleinen Eisenbahnmuseum. Hier können die Besucher viel über die regionale Eisenbahngeschichte lernen. Mehr kann ich zum Museum nicht sagen, denn es ist geschlossen, als ich ankomme.
Damit es euch nicht ebenso ergeht, hier die Öffnungszeiten:
Von März bis Oktober: Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 17 Uhr
Von November bis März: Samstag und Sonntag von 15 bis 17 Uhr
Im Juli und August: zusätzlich Mittwoch 10 bis 17 Uhr
Gruppen nach Voranmeldung auch zu anderen Zeiten.
Anmeldungen per Email unter info@vienenburg-tourismus.de und touristinformation.vienenburg@t-online.de
Das Außengelände ist jedoch jederzeit zugänglich. Vor dem Kaisersaal stehen an einem historischen Bahnsteig ebensolche Lokomotiven und Züge. In einem Schaukasten entdecke ich Beschreibungen aller ausgestellten Triebfahrzeuge und Wagen. Die Mitglieder des Vereins zur Förderung des Eisenbahnmuseums Vienenburg VEV e.V. betreuen die musealen Schmuckstücke und das Museum selbst.
Über die Radau und vorbei an der Freiheitsstatue
Ich reiße mich los von diesem schönen Anblick, denn mein Ziel ist ja die Vienenburg. Immer streng der Beschreibung im Freizeitstempel-Pass folgend überquere ich das Flüsschen Radau und biege von der B241 in die Kaiserstraße ein. Als ich die Freiheitsstatue – jawohl, dieses Denkmal heißt wirklich so – passiert habe, verzweigt sich die Straße. Ich folge der Bismarckstraße bergauf und erblicke nach einem Knick auch schon rechts oben die Vienenburg. Den gewaltigen Bergfried habe ich sogar schon aus einiger Entfernung gesehen.
Nun gilt es, den Eingang der ehemaligen Ringburg zu finden. Ich entscheide mich für die Toreinfahrt schräg gegenüber der evangelischen Pfarrkirche. Am Torhaus entdecke ich ein paar kleine Tafeln mit Informationen, beispielsweise zur Geschichte der Burg. Denen entnehme ich, dass Besucher hier auf der Vienenburg, die im privaten Besitz ist, willkommen sind.
Die Vienenburg – Baukunst aus dem 14. Jahrhundert
Ich betrete den Burghof und schaue mich neugierig um. Das pittoreske Fachwerkensemble, das den Hof umgibt, ist teilweise hübsch saniert. Andere Bereiche sind in der Sanierungsphase.
In der Mitte der Burganlage steht der 24 Meter hohe Bergfried. Er wurde um das Jahr 1300 erbaut und von 2010 bis 2011 aufwändig saniert. Der Bergfried ist das letzte intakte Gebäude der Urburg und soll begehbar sein. Weil die Tür abgeschlossen ist, widme ich mich erst mal dem Stempeln. Die Stempelstelle 31 steht unübersehbar neben dem Eingang zum Bergfried. Zufrieden stelle ich fest, dass der Stempel vorhanden ist, das Stempelkissen tintenfeucht und überhaupt alles so, wie man es sich vorstellt.
Da entdecke ich einige Herrschaften, die mit Blumenerde und Gießkanne vor dem Wohnhaus werkeln. Ein Herr nickt mir aufmunternd zu. Ob ich den Turm besteigen möchte, fragt freundlich ein anderer. Natürlich, ja!
Der Bergfried: 126 Stufen bis zur Aussicht
Schwuppdiwupp – bevor ich meine Mission als Bloggerin des Tourismusverbandes Nördliches Harzvorland erklärt habe, steht die Tür zum Bergfried offen. Jetzt gilt es, 126 Stufen zu erklimmen. Turmwart Hans Dettmer hat mich gewarnt und er hat Recht behalten: Ich komme leicht aus der Puste oben an, aber nichts im Vergleich mit dem Eiffelturm.
Gleichwohl: Die Aussicht von hier oben ist grandios. Nicht nur, dass man die verstecktesten Winkel des Burghofes einsehen kann. Deutlich hebt sich der Brocken vor dem Himmel ab. Davor erstreckt sich die liebliche Landschaft des Nördlichen Harzvorlandes.
Öffnungszeiten des Bergfrieds:
An Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr, sonst auf Anfrage bei Turmwart Hans Dettmer
Als ich wieder auf der Erde stehe, gewähren mir die Bewohner der Vienenburg noch einen Einblick in ihr Leben auf der Burg. Seit zehn Jahren wird die Anlage saniert und restauriert. In ehemaligen Werkstätten, Stallungen und Scheunen entstanden beispielsweise moderne Wohnungen.
Modernes Leben in mittelalterlichen Mauern
Im ehemaligen Wasch- und Backhaus leben heute Hiltrud Lamken und ihr Mann Ralf. Die historischen Bodendielen knarren gemütlich, als Ralf Lamken mir die Wohnung zeigt. Und ich bin schockverliebt in die geschmackvoll gestalteten Räume.
Burgbesitzer Dr. Ulrich Frings achtet beim Um- und Ausbau sehr auf Authentizität, Qualität und darauf, dass ökologische Baustoffe zum Einsatz kommen. So werden Rogenstein-Platten – das mittelalterliche Baumaterial der Burg – wiederverwendet. Auch alte Balken, Türen und Beschläge finden wieder einen Platz auf der Burg.
Ralf Lamken zeigt mir noch, wo die hypermoderne Heizungsanlage untergebracht ist. Dann stehe ich wieder vor der hübschen Fachwerkfassade und wundere mich. Doch auf der Vienenburg gibt es noch mehr zu sehen.
Ein Burgsaal im ehemaligen Kuhstall
Dazu zählt beispielsweise der Burgsaal mit einer modernen Cateringküche, der im ehemaligen Kuhstall und der Milchkammer entstanden ist. Die Menschen aus dem Nördlichen Harzvorland wissen den Saal als einzigartigen Ort zum Feiern zu schätzen. Hier finden beispielsweise Hochzeiten, Jubiläumsfeiern, Lesungen, Konzerte oder Ausstellungen statt.
Hiltrud Lamken arbeitet daran, den Burgsaal als kulturellen Anziehungspunkt zu etablieren. Sie ist zuständig für die Vermietung und Vermarktung des Burgsaals. Unterstützt wird sie hierbei von Marlene Richter, die insbesondere für interessante und spannende Führungen bekannt ist.
Hiltrud Lamken ist auch Ansprechpartnerin für das Burgcafé, das in der ehemaligen Remise entstanden ist. Das Burgcafé öffnet zu besonderen Anlässen. Dann gibt es verschiedene hausgebackene Kuchen, dazu „ein bisschen selbstgemachte Kunst, ein bisschen Krempel“. Die Kunst stammt vom Kunsthof Vienenburg e. V., einem Zusammenschluss von Hobbykünstlern, zu denen auch das Ehepaar Lamken zählt. Das Burgcafé mit 40 Sitzplätzen kann ebenfalls für Feierlichkeiten gemietet werden.
Heute lebt man ruhig auf der Vienenburg
Wie das Leben auf der Burg denn sei, will ich wissen. Durchaus komfortabel und schön ruhig, erfahre ich. Im Mittelalter hingegen war die Vienenburg ein begehrter Ort an der Kreuzung zweier wichtiger Handelsstraßen, deshalb umkämpft und ständig belagert. Später wurde die Anlage zur Domäne mit entsprechender Betriebsamkeit.
Heute herrscht an bestimmten Tagen wieder reges Treiben auf der Burg. Beispielsweise wenn es heißt „Vienenburg frühstückt“, am Tag des offenen Denkmals oder zum Adventsmarkt auf der Burg.
Bevor ich mich von den Burgbewohnern verabschiede, darf ich noch einen Blick ins ehemalige Brauhaus werfen. Hier wurden aufwändige Sicherungsmaßnahmen umgesetzt, um das Gebäude vor dem Einsturz zu bewahren. Wie es einmal genutzt werden soll, weiß man noch nicht mit Bestimmtheit. Aber der Burgherr habe immer gute Ideen, versichern mir meine Gesprächspartner. Man darf also gespannt sein.
Erfrischend: das „Rosarium am See“
Voll neuer Eindrücke gehe ich den Weg zurück, auf dem ich gekommen bin. Ich will noch einen Abstecher zum Vienenburger See machen, an dem ich einmal gepicknickt habe. Deshalb überquere ich die Bahnhofsbrücke und stehe schon nach ein paar Schritten am See. Heute steuere ich aber keinen Picknickplatz an, sondern das „Rosarium am See“. Das „Rosarium“ ist Eisdiele, Bistro und Bootsverleih in einem.
Schon auf den ersten Blick fällt mir die geschmackvolle Bepflanzung des Areals rund um die Terrassen am See auf. Eveline Douglas hat alles eigenhändig angelegt. Doch die langjährige Eigentümerin des „Rosarium“ ist nicht nur eine begnadete Gärtnerin. Sie ist vor allem bekannt für ihre selbst gemachten Torten und Kuchen. Dazu kommen Kaffeespezialitäten auf den Tisch.
Gästen, denen nicht nach Süßem zumute ist, serviert Eveline Douglas frisch zubereitete Salate oder Suppen. Doch auch Hausmannskost wie Schmalzbrot sowie Käse- oder Aufschnittplatte stehen auf der Speisekarte.
Noch ist die Gaststätte wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Doch von der Terrasse direkt am Vienenburger See kann ich ein paar Frühlingsimpressionen einfangen. Das Gewässer schimmert in der Nachmittagssonne und die Tretboote liegen sicher vertäut am Steg. Ich stelle mir vor, wie herrlich es sein mag, im Sommer hier zu sitzen und sich mit einem Eis und einem kühlen Getränk zu erfrischen. Oder eine der Torten aus Eveline Douglas‘ Küche zu kosten.
Öffnungszeiten des „Rosarium am See“:
Bis Ende Oktober von Dienstag bis Samstag 12 bis 20 Uhr, Sonntag und Feiertage 11 bis 20 Uhr.