Windmühle Dettum: Ein Wahrzeichen erwacht zu neuem Leben

Nördliches Harzvorland, Windmühle Dettum: Die restaurierte Mühle erstrahlt an ihrem neuen Standort / Uwe Schäfer

Am Pfingstmontag, 10. Juni, dreht sich in ganz Deutschland alles um die Mühlen. Zu diesem Anlass öffnen auch die Windmühlen im Nördlichen Harzvorland die Türen. Allerorten setzt der Wind die Flügel und die mächtigen, hölzernen Mahlwerke in Bewegung.

Eine der Mühlen, in denen am Pfingstmontag die großen Mühlsteine arbeiten, ist die Bockwindmühle Dettum. Das Schicksal hat es mal mehr, mal weniger gut gemeint mit der Bockwindmühle in Dettum. 98 Jahre lang verrichtete sie treu und brav ihren Dienst. Denn das Nördliche Harzvorland ist eine windverwöhnte Region und die Mechanik der Bockwindmühlen gilt als robust.

Beste Bedingungen für Windmühlen im Nördlichen Harzvorland

Der leicht erhöhte Standort der Mühle in der Ebene zwischen Elm und Asse ist prädestiniert für den Betrieb einer Windmühle. Kein Höhenzug bremst die Kraft des hier vorherrschenden Westwinds. So wurde in Dettum im Landkreis Wolfenbüttel bereits 1806 eine sogenannte „Patentmühle“ errichtet. Doch schon 1843 wurde diese Mühle wieder abgerissen, weil die Müller der umliegenden Mühlen die Konkurrenz der neuen Mühle fürchteten.

Vor diesem Hintergrund betrachtet war der Bockwindmühle, die im Jahr 1863 fertiggestellt wurde, das Glück also hold. Bis zum letzten Tag des Jahres 1961. In der Silvesternacht brachte ein Nordoststurm die Flügel verkehrt herum zum Drehen. Dadurch wurde die Mühle, die damals Alfred Weste – dem Urenkel des Erbauers – gehörte, stark beschädigt. Ans Mahlen mit Windkraft war fortan nicht mehr zu denken.

Dettum: Eine Mühle im Dornröschenschlaf

Die Mühle versank in eine Art Dornröschenschlaf. Die Bretter der Verschalung fielen nach und nach ab. Das Mahlwerk im Inneren der Mühle war dem Wetter ausgesetzt. Der Wind, der einer intakten Windmühle Leben einhaucht, wurde noch einmal zum zerstörerischen Feind. Irgendwann geriet das Mühlengebäude in Schräglage, die Mühle drohte umzukippen.

Die Menschen in Dettum beobachteten den Zerfall der Bockwindmühle mit Sorge. „Die Mühle ist ein prägendes Gebäude für Dettum. Sie ziert das Wappen des Ortes und ist deshalb für die Bewohner ein ganz wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Man ist stolz, dass es die Mühle gibt und weithin sichtbar den Ort ankündigt“, erklärt mir Uwe Schäfer die Bedeutung der Mühle.

Der stellvertretende Landrat des Landkreises Wolfenbüttel kommt zwar selbst nicht aus Dettum, sondern wohnt im benachbarten Apelnstedt. Doch die Mühle als Gebäude, ihre Geschichte und ihre Funktion als Zeugnis des Lebens auf dem Land berührt auch ihn. Und so kann er die Gefühle der Dorfgemeinschaft gut nachvollziehen.

Menschen in Dettum kämpfen für den Erhalt der Windmühle

15 Jahre nach dem verhängnisvollen Sturm fand sich schließlich eine Handvoll engagierter Dettumer zusammen, um für das Wahrzeichen des Ortes zu kämpfen. Ich spreche mit Christine Lehmann, der stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins zur Erhaltung der Dettumer Windmühe e.V.. Ihr Vater hat 1976 den „Freundeskreis zur Erhaltung der Dettumer Windmühle“ ins Leben gerufen, aus dem zwei Jahre später der Verein entstand. „Ich war schon als Jugendliche immer dabei, wenn es um die Mühle ging. Mein Vater hat mir die Leidenschaft für die Mühle in die Wiege gelegt“, erinnert sie sich heute.

Innerhalb eines Jahres setzte der Freundeskreis die marode Mühle mithilfe des Besitzers, dem Müller Alfred Weste, so weit instand, dass ein erster Probelauf gewagt werden konnte. Die Einweihung fand im September des gleichen Jahres statt. Seit 1978 wird die Mühle jährlich bei einem „Tag der offenen Tür“ in Betrieb gezeigt. Dafür verantwortlich sind die Mitglieder des Vereins zur Erhaltung der Dettumer Windmühle.

„Selbstlos hat der Verein über Jahre hinweg in Tausenden Arbeitsstunden versucht, die Mühle zu erhalten, ohne selbst Eigentümer der Mühle oder des Grundstücks zu sein. Das hat mich schon sehr beeindruckt. Es ist eines dieser Beispiele, die zeigen, dass nichts unmöglich ist. Man muss es nur wollen und einfach tun“, sagt Uwe Schäfer heute.

Umzug der Windmühle und erneute Restaurierung

Ende gut, alles gut, möchte man da schon sagen. Doch das wäre voreilig. Denn die größte Operation stand der Mühle noch bevor. Denn nach dem Tod von Alfred Weste im Jahr 2012 wurde sein Hof samt Mühle verkauft. Die Ungewissheit wurde wieder zum ständigen Begleiter der Dettumer, die so viel Zeit in die Windmühle investiert hatten.

„Der neue Besitzer hat schon bald nach dem Kauf des Hofes mitbekommen, dass der Verein großes Interesse an der Mühle hat. Deshalb hat er dem Verein das Grundstück, auf dem die Mühle jetzt steht, zum Kauf angeboten“, sagt Christine Lehmann. Mehr noch: Im Jahr 2015 ging die Mühle als Spende seitens des neuen Besitzers des Mühlengrundstücks in den Besitz des Vereins über. So wurde die Mühle zwischen Herbst 2016 und Frühjahr 2017 abgebaut und in restaurierter Form 80 Meter weiter westlich wieder aufgebaut.

„Es war ein absoluter Glücksgriff, dass die Mühle umziehen konnte. Jetzt steht sie auf eigenem Grund und Boden. Und sie hätte sowieso zerlegt werden müssen. Der Hammer, der die ganze Mühle trägt, war schadhaft und musste erneuert werden“, erklärt Christine Lehmann.

Hinzu kommt, dass der neue Standort besser für den Betrieb der Windmühle geeignet ist. „Es ist wichtig, dass der Wind die Mühle ungehindert erreichen kann. An ihrem alten Standort stand die Mühle hinter einer großen Scheune, dadurch kam es zu Verwirbelungen. Das ist ungünstig, denn der Wind soll nur von einer Seite auf die Mühle treffen. Jetzt steht sie von allen Seiten frei“, freut sich Christine Lehmann. Zudem kann die Mühle jetzt wieder in den Wind gedreht werden, weil der Hammer wieder funktionsfähig ist.

Technisches Denkmal Windmühle Dettum

Damit zählt die Dettumer Windmühle zu den letzten fünf Wind- und Wassermühlen in der Region um Wolfenbüttel, die in funktionsfähigem Zustand sind. Als einzige Bockwindmühle im Umfeld der Asse steht sie unter Denkmalschutz.

„Wenn etwas gelingt, sagt man ja immer, das Projekt hat viele Väter. Aber bei der Sanierung und der Verlegung des Mühlenstandortes kann man wirklich sagen, dass alle Akteure Großes bewirkt haben. Meine Aufgabe war, die Verantwortlichen des Vereins zu motivieren, Mittel aus dem Zukunftsfonds Asse zu beantragen. Mit den Mitteln aus dem Fonds konnten wie die Mühle für die nächsten 150 Jahre als Kulturgut im Landkreis Wolfenbüttel sichern und für die Nachwelt erhalten“, so Uwe Schäfer.

Nördliches Harzvorland, Windmühle Dettum: Die restaurierte Mühle wird an ihrem neuen Standort wieder aufgebaut / Uwe Schäfer
Jetzt kann der Mühle ein Schauer nichts mehr anhaben / Uwe Schäfer

Die Windmühle als Ausbildungsstätte

Heute kann die Mühle nicht nur mahlen, sondern sie ist auch Ausbildungsstätte für angehende Müller. Die 13 Teilnehmer des gerade laufenden Müllerkurses kommen aus Niedersachsen und Berlin, um das Mahlen mit einer Windmühle zu erlernen. Nach 13 Monaten wissen sie, wie aufgesegelt – also die Segel auf die Windmühlenflügel aufgezogen – wird und wie die Mühlsteine optimal eingestellt werden. Sie haben viel über das Korn und seine Eigenschaften gelernt und wissen, worauf sie beim Betrieb der Mühle zu achten haben.

„Die Müllerlehrlinge kommen aus Mühlenvereinen und alle haben eine Windmühle, die betrieben werden soll. Der Bedarf ist da. Die Mühlentechnik soll weiter richtig angewandt werden können. Da ist Fingerspritzengefühl gefragt“, sagt Christine Lehmann.

Nördliches Harzvorland, Windmühle Dettum: Alle Räder des Mahlwerks sind in Bewegung / Jessica Lau
Wenn sich alle Räder drehen, freut sich der Müller / Jessica Lau

Der Weg vom Korn zum Brot wird erlebbar

Das Mehl, welches unter anderem die Müllerlehrlinge zu Übungszwecken mahlen, wird neuerdings direkt neben der Mühle zu Dettumer Mühlenbrot verbacken. „Wir haben jetzt einen eigenen Steinbackofen“, berichtet Christine Lehmann stolz. Das Rezept für das Dettumer Mühlenbrot stammt von Lehmanns Onkel, einem Bäckermeister. „Vom Korn zum Brot wird bei uns gelebt und kann erlebt werden“, lädt Christine Lehmann ein.

Beispielsweise am Pfingstmontag, dem Deutschen Mühlentag. Dann drehen sich – passenden Wind vorausgesetzt – die Flügel. Es gibt beeindruckende Führungen durch die ratternde und klappernde Mühle, in der kein Rädchen stillsteht, wenn gemahlen wird. Außerdem werden frisches Mühlenbrot, Bratwurst und selbstgebackener Kuchen angeboten. Die Kinder dürfen ihre eigene kleine Mühle basteln oder sich auf der Hüpfburg austoben.

Pfingstmontag ist Mühlentag – auch in Dettum

Die Gegend um Wolfenbüttel hatte im frühen 19. Jahrhundert überregionale Bedeutung als Mühlenbauregion. In der Umgebung gab es ursprünglich rund 300 Wind- und Wassermühlen, von denen neun am Deutschen Mühlentag besichtigt werden können. Das Industriedenkmal Bockwindmühle Dettum ist eine davon.

Auch die Windmühle am Bungenstedter Turm in Wolfenbüttel-Halchter beteiligt sich am Deutschen Mühlentag. Das Mühlenfest mit der Möglichkeit der Mühlenbesichtigung und einem Bauernmarkt beginnt am 10. Juni um 10 Uhr.

Im Städtischen Museum Schloss Salder in Salzgitter steht die „Osterlinder“ Bockwindmühle am Pfingstmontag im Mittelpunkt des Geschehens. Von 11 bis 17 Uhr werden sich die fast zehn Meter langen Flügel der Mühle drehen und die beeindruckende Technik im Inneren in Gang setzen.

Weitere Informationen zum Deutschen Mühlentag