Das Nördliche Harzvorland auf dem Fahrrad „neu“ entdecken | Tipps – Teil 1

Windmühle auf Steinquadern und einem Eichenholz-Bock

Es ist der Moment, wenn das Fahrrad am Ortsausgangsschild vorbeifährt und der Blick frei wird auf die sanft hügelige Landschaft.

Wenn Sonnenstrahlen lautlos über gelbe Rapsfelder streichen und diese heller erstrahlen. Du für einen Augenblick vom Rad absteigen musst, weil man entspannt ausatmet, die Augen das frische Grün der Wälder und Wiesen aufsaugen und die Wolken zum Träumen einladen. Von Fern zuckelt der Traktor seine Bahnen über das Feld. Der Hahn ruft zweimal herüber.

Los geht’s, auf zur Braunschweiger Landpartie!

Für die 1. Braunschweiger Landpartie im Landkreis Wolfenbüttel schnürten Vereine, Museen, Herrenhäuser, Rittergüter, Ateliers und Hofläden ein besonderes Aktionspaket. Attraktiv gestaltet luden Radtouren in der Gruppe oder alleine ein, das Landleben an Wald und Wiese, an duftenden Apfelblüten zwischen Dörfern und herzhaft-süßen Leckereien zu erfahren. Organisiert vom Landkreis Wolfenbüttel, dem Nördlichen Harzvorland e. V. und weiteren Partnern plante man diesen Tag, die liebliche Landschaft auf dem Fahrrad zu entdecken.

Möglichst autofrei, umweltfreundlich und ohne Lärm. Die Bevölkerung nutzte das Fahrrad für die Ausfahrt über das Land. Von Dorf zu Dorf sind es nur wenige Kilometer. Manchmal mit einer sanften Steigung, dafür lockt Kaffeeduft und selbstgebackener Kuchen zur wohlverdienten Kaffeepause oder Herzhaftes vom Grill.

Zum Streicheln von Tieren am Erlebnis-Bauernhof Bues in Groß Denkte

In ihrer Heimat von Groß Denkte leben Ferkel, Hahn und Hund mit weiteren Tierfreunden. Sie genießen am Erlebnishof Bues das Treiben besonders wenn Schulkinder, große und kleine Menschen ihnen freundlich gesinnt hinter dem Ohr kraulen.

Aus Schleswig-Holstein verschlug es Swantje Bues ins Land zwischen Asse, Elm und Wolfenbüttel.

Am Bauernhof erzählen Tiere ihre eigenen Geschichten. Wer aufmerksam hinhört, versteht was Schaf, Hase und Meerschweinchen erzählen.

Vom Aufstehen, beim Fressen, Toben auf der Wiese oder am Hof. Die Bauernhofpädagogin übersetzt die Erzählungen kindgerecht. Ihre leuchtenden Augen strahlen Begeisterung aus.

An den Planwagentouren vorbei an Wiesen und Feldern blicken Kinderaugen auf den gelben Raps im Frühling, die Sonnenblumen im Sommer und Kürbisse im Herbst.

Wie fühlt sich das Fell von Frau Schaf oder vom kleinen Ferkelmann an? Fühlen, spüren und wahrnehmen mit allen Sinnen, das lernen Kinder ganz nebenbei. Am Erlebnisbauernhof Bues können Gruppen nach Führungen fragen oder man denkt sich für Besucher gemeinsame Mitmachaktionen aus.

Der Topf mit heißem Wasser siedete für die Würstchen der ersten Landpartie-Besucher am Hof und das Waffeleisen heizte auf. Gut besucht hatte man alle Hände voll zu tun. Doch eines sah man in all der Arbeit besonders gern, das freundliche Lächeln der Hofbesitzerin, Swantje Bues.

Ferkel, Meerschweinchen, sauber aufgeräumter Arbeitsbereich in einer Scheune
Zum Streicheln verlockend, die Tiere am Erlebnis-Bauernhof Bues in Groß Denkte | Kerstin Paar
im Innenhof der Hofanlage, mit Baum und Sitzgruppe, dahinter Scheunen
Am Vormittag füllt sich der Innenhof und Kinder spielen eifrig mit ihren Fahrzeugen, nachdem Hase, Meerschweinchen und Schaf gestreichelt wurden | Kerstin Paar

Diese Freude sprang über und ich nahm sie als Turbo mit auf mein Rad. Der Anstieg hoch zur Lutherskulptur Sola Gratia lief so wie geschmiert.

frische Ansaat am Feld, dahinter der Asse-Höhenzug
der Asse-Höhenzug mit 234 m Höhe – die höchste Erhebung an der Remlinger Herse, mittig gelegen zwischen Wolfenbüttel und Schöppenstedt | Kerstin Paar

Die Lutherskulptur liegt etwas erhöht rechts des Radweges in Richtung Dettum. Interessant gestaltet regt sie an, genauer hinzusehen. Wieviel Gestalten und Personenfiguren erkennt man? Eine Hand, einen Frauenkopf, Mann, Kind, Ochse. Magnus Kleine-Tebbe, der Braunschweiger Bildhauer, setzt figürliche Elemente auf Naturmaterialien gekonnt szenisch um.

Was bewegte den Künstler, während seiner langen Arbeit an der Steinskulptur? Fragen über Fragen kamen hoch, als man einmal um die Skulptur ging.

Steinskulptur mitten in der Landschaft, aus Naturmaterialien, zeigt Figuren Menschen- und Tierkörper
Die Lutherskulptur Sola Gratia von Bildhauer Magnus Kleine-Tebbe zwischen Groß Denkte und Dettum | Kerstin Paar

Mein Blick schweifte auf die Hochebene hinaus an der Figur vorbei. Weite Rapsfelder wohin das Auge sah. Frisches sattes Grün an Wiesen und Äckern. Sonntagsarbeit auf Feld, Acker und Flur ist in der Landwirtschaft alltäglich. Trockenes Wetter nutzt man, um die Saat zu pflegen. Für reiche Ernte und Nachschub im Hofladen. An solchen kam ich auf der Landpartie-Radtour vorbei.

Beschauliche Dörfer umrahmt von Naturkulisse

Mönchevahlberg liegt leicht erhöht auf einer Ebene mit fantastischer Aussicht auf das nördliche Harzvorland. Die BürgerInnen luden ins Dorf zum Flohmarkt, dem Tomatenmarkt und auf eine gemütliche Stunde am Sonntag ein. Nostalgie, Fundstücke aus früheren Zeiten und das Plaudern an den Marktständen belebte das kleine Dorf.

Nach der kurzen Stippvisite bog mein Fahrrad rechts ab hinunter in die Talsenke. Suchend schaute ich mich in der Ferne nach einer Windmühle um. Dann entdeckte ich die vier Flügel der Bockwindmühle am Ortseingang von Dettum.

Für den Verein zur Erhaltung der Dettumer Windmühle e. V. ist diese Windmühle wie ein großes „Spielzeug“. Ja, so nannte es mir ein Mitglied, als man mir mit leuchtenden Augen vom Mahlen des Roggens, dem Umzug der Mühle, der Sanierung oder dem Setzen des Segels erzählte.

Bockwindmühle Dettum – Paradebeispiel einer Mühle für Wissbegierige

Von Hand drehte ein Vereinsmitglied die Bockwindmühle zum Wind. „Man will die Segel bespannen“, erklärte man mir. Die Vereinsmitglieder sind leidenschaftlich um ihre Bockwindmühle bemüht und freuten sich über Besucher an der Braunschweiger Landpartie.

Wie aus dem Inneren des kleinen Häuschens auf Steinquadern und einem Eichenholz-Bock das gemahlene Roggenmehl in Mehlsäcke fließt, konnte ich mir anschaulich vor dem Mahlstein, dem sanierten Holz-Stirnrad und der Bütte ansehen. Wie die „Spreu vom Weizen getrennt“ weiterverarbeitet und genutzt wird, davon erzählte man mir beim Hinaustreten und beim Abstieg auf der teils steilen Holztreppe. „Diese war zu früheren Zeiten noch steiler, man ergänzte die Holzstufen um gut 10 cm in der Tiefe“, zeigte der Mühlenexperte auf eine Treppenstufe. Stimmt, jetzt sah ich ein helleres Holz sauber angrenzend an dem dunklen Ende.

Spannend war es beim Zuschauen und Hören, wenn das Seil die Bremse zieht und das Mühlenrad stoppt. Es ist eine sehenswerte und fotogene Bockwindmühle.

Windmühle im Sonnenschein, Treppe führt nach oben, in saniertem gutem Zustand
Seit rund zwei Jahren steht die Bockwindmühle auf ihrem neuen Standort und öffnet die Pforte für Besucher | Kerstin Paar
großes Mühlenrad saniert in gutem Zustand, und Bild mit Bockwindmühle in der Ferne, vorne Apfelblüte
Einblick in die sanierte Bockwindmühle, interessant zur Besichtigung bei einem Gruppenausflug | Kerstin Paar

Es war Zeit wieder aufzusteigen und weiterzufahren. Noch blinzelte ein Sonnenstrahl ums Eck, als dunklere Wolken aufkamen. Aus dem Ort Dettum fuhr ich auf dem breiten Radweg hinaus und roch den Duft frisch gemähter Wiesen. Die paar Regentropfen störten mich nicht. Aber was etwas unangenehm war, der kalte Gegenwind. Von Weitem sah ich einem Ehepaar zu, das mit ihren Rädern über die Kuppe schon hinüberfuhr. Dorthin wollte ich auch und trat kräftig in die Pedale.

Bevor ich zum Rittergut Lucklum kam, machte ich spontan einen Abstecher zu den Obstbaumplantagen und Hofständen in Evessen. Reichlich Gesundes bot man in dem kleinen Dorf an, Honig, frische saftige Äpfel, Backware in Bioqualität, Gemüse, Säfte. Die Obsthöfe Molks und Halbhuber öffneten die Pforten für Besucher an diesem Aktionstag.

Wandern im märchenhaften Elm

Typischen Buchenwald und Halbtrockenrasen, Fossilien aus der Muschelkalkzeit und Ausblicke nach Schöppenstedt genießt der Wanderer ab Evessen. Zur Braunschweiger Landpartie führte man Interessierte durch den nahegelegenen Erlebnissteinbruch.

Mein Rad konnte ich nicht stoppen, es wollte dringlich weiter. Auf einen Kaffee ins Rittergut Lucklum. Ich sagte ihm aber deutlich, dass ich das nur mache, wenn ich wiederkomme und wir dann wandern gehen. Quasi „Radwandern“.

Wie die Kaffeepause auf dem historischen Rittergut Lucklum ausging, das erzähle ich in Teil 2. Mit Entdecker-Tipps im nördlichen Harzvorland!